Im 21. Jahrhundert sieht unser Kaufprozess so aus: wir surfen auf Instagram und sehen bei einer Influencerin diesen Lippenstift, die Wanddeko, den Pullover (in der Pantonefarbe des Jahres!). Netterweise hat sie das must have auch gleich in ihrer Story verlinkt UND einen Rabattcode für Dich klar gemacht. Ein kleiner Swipe nach open, Größe auswählen, mit PayPal bezahlen und schon ist das Teil unterwegs zu Dir.
Genauso einfach ist es dank Amazon, wie mir bei der Evaluierung unserer Ausgaben des letzten Jahres schmerzlich bewusst wurde. “Ich hätte gerne mal (füge irgendein nettes Konsumgut hier ein).” App geöffnet, rausgesucht, ab zur Kasse, wenn ich den “Umweg” überhaupt gegangen bin, statt mit 1 Klick zu kaufen und ein, zwei Tage später klingelt der Postbote.
Konsum als Convenience
Dieser Artikel soll kein Traktat gegen den Konsum sein und doch möchte ich zum Nachdenken, zum Nachspüren einladen. Wie alle Bereiche unseres Lebens wird auch das Kaufen von Zeug immer mehr vereinfacht, immer schneller, höher, weiter.
Je länger der Bestellprozess auf einer Website dauert, je mehr Daten Du angeben musst, Deiner kostbaren Zeit opfern musst, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Du den Kauf auch tätigst.
In einer Wirtschaft, die auf Konsum aufgebaut und angewiesen ist, ist alles andere als das konsumieren immer leichter zu machen, Selbstmord. Ich bin mir auch bewusst, dass wir in unserer Rolle als Inhaber eines Online Businesses zu diesem Narrativ beitragen.
Wenn Du etwas über unsere Affiliatelinks kaufst oder eines unserer Produkte erstehst, profitieren wir von Deinem Konsum. Genauso ist es mit geschalteter Werbung. Siehst Du Dir z.B. unsere Werbeanzeigen an oder klickst sogar darauf, ist das unser Lohn für die Arbeit, die wir an dieser Website leisten. Hier die Balance zu halten und seinen Werten treu zu bleiben, ist eine stetige Herausforderung.
So viel aber nur am Rande und unser Appell ist: bitte kauf nur, was Du Dir wirklich leisten kannst und was Du brauchst.
Die Kauf ich später-Liste
Viele, viele Jahre lang hatte ich keine solche Liste und ich glaube auch, dass es nicht viele Menschen gibt, die eine führen. Die Bedürfnisbefriedigung findet im Idealfall sofort statt, die Jeans lieber per Post geordert als im Kaufhaus erstanden.
Herr Sparfuchs und ich haben inzwischen jeder eine KIS-Liste im iPhone gespeichert. Wenn er oder ich etwas finden, was wir unbedingt haben müssen, landet es als neuer Punkt auf ihr. Eine Weile lang machten wir so aus der Not eine Tugend. Es war im Budget einfach kein Platz für ein neues iPhone (wenn das alte zwar ein Upgrade nötig hätte, aber noch perfekt funktioniert) oder die schicken beats Kopfhörer, mit denen mein Mann seit Monaten liebäugelt.
Auch Kleidung oder Haushaltsgeräte wurden Opfer unserer “Kaufschieberitis”. In unserer neuen Wohnung fehlte die Einbauküche. Von Oktober 2017 bis Dezember 2018 lebten wir ohne Backofen und kochten auf einem portablen Miniherd mit 2 Platten, den meine Mutter ursprünglich für’s Marmeladekochen gekauft hatte. Ein Spülbecken haben wir immer noch nicht. Verrückt? Vielleicht. Möglich? Definitiv.
Kaufschieben, eine Lebenseinstellung
Für uns ist das “Kaufschieben” zu unserem neuen Lifestyle geworden. Teilweise geht es darum, die tatsächlichen Bedürfnisse festzustellen. Je länger wir Käufe herauszögern, desto mehr Eigeninitiative braucht es:
- Haben wir etwas, das den/ einen ähnlichen Zweck erfüllt?
- Geht es auch ohne?
- Wie oft bemerken wir das Bedürfnis und rechtfertigt das einen Kauf?
Aus unserem Umfeld ernten wir dafür manchmal Unverständnis, vor allem wenn es “nur” um kleine Beträge geht. 7,99 für einen Kartoffelstampfer hier, 20 Euro für einen Fast Fashion Pullover dort. Aber zum einen sind das selten Needs, also Dinge, die man wirklich wirklich braucht, sondern eher Wants. Zum anderen summieren sich diese Käufe.
Mit Hilfe eines Zinseszinsrechners habe ich eben folgendes Beispiel durchgerechnet: Stell Dir vor, Du investierst heute einmalig 5€. Gibst Du an 4 Tagen der Woche in jeder Arbeitswoche (ca. 46 Wochen bei normalem Urlaubsanspruch) 5 Euro aus, sind das 900 Euro pro Jahr.
Würdest Du dieses Geld jährlich zusätzlich investieren, wären das nach 40 Jahren gut 100.000 Euro (bei einem durchschnittlichen Zugewinn von 5%, nicht unrealistisch, wenn man sich die Entwicklung des Marktes über die Jahrzehnte ansieht).
Es lohnt sich, zukünftige Anschaffungen einfach mal durchzurechnen. Euer Sommerurlaub soll 2000 Euro kosten, all inclusive, habt ihr euch verdient! Nach 40 Jahren ohne weiteren Beitrag wären das über 14.000 Euro. Spart ihr euch dieses Jahr den ganzen Urlaub und verreist ab nächstem Jahr nur noch für die Hälfte, reden wir schon über 140.000 Euro.
Für uns eliminiert die Liste, neben den sinnlosen Ausgaben, aber noch etwas: Unordnung. Wir haben intensiv daran gearbeitet, unser Leben zu entrümpeln. Wir haben Bücher, CDs und DVDs verkauft, Klamotten ausgemistet, die Küche aussortiert, unseren Keller leer gemacht, nicht mehr benötigte Unterlagen geshreddert. Regelmäßig nehmen wir uns kleinere Bereiche vor, um überflüssiges Gerümpel zu minimieren (tatsächlich oder digital).
Eine Kauf ich später-Liste fungiert hier als natürlicher Türsteher und hilft uns, aktive Kaufentscheidungen zu treffen, statt von Impulskäufen übermannt oder zu oft von Werbung beeinflusst zu werden.
Inzwischen machen wir uns einen Spaß daraus. Wer kann was am längsten “kaufschieben”? Wie lange halten wir es aus, welche alternativen Wege finden wir? Manchmal keine, manchmal ärgert man sich jedes Mal wieder wenn etwas fehlt (und löst das Problem dann oft eher früher als später), manchmal stellen wir nach Monaten fest, dass es wunderbar auch ohne geht.
Denn meistens geht nicht alles, aber oft sehr viel mehr, als man sich vorstellen kann. Und wann probierst Du das “Kaufschieben” mal aus?